„Ich kann nicht das tun, was du tust,“ sagte der Christ, der sich verlegen nach einem Evangelisationstraining anschlich. „Ich bin nicht so wortgewandt.“
Ich finde dieses Eingeständnis immer seltsam. Meistens kommt es nach fünf Minuten angenehmer Unterhaltung. Wir besprachen Sporttabellen, das Wetter, die Kinder und Netflix. Es gab keine unangenehme Pausen, peinliche, verbale Ausrutscher, nichts, was vermuten ließe, dass diese Person Schwierigkeiten mit der englischen Sprache hätte – weder im Verständnis noch in der Kommunikation. Aber scheinbar ist sie nicht so wortgewandt.
Dieser Kampf mit Worten kommt selten vor, wenn man sein Lieblingsteam oder seine Lieblingsfernsehserie bespricht. Aber er taucht dann auf, wenn man über den Glauben spricht. Es stellt sich heraus, dass die Person doch ziemlich wortgewandt ist. Die meisten Leute sind ziemlich gut im Sprechen. Die ganze Zivilisation ist darauf aufgebaut. Also, was ist das Problem?
Das Problem ist nicht Furcht. Wir fürchten uns schlicht zu wenig.
Wovon das Herz voll ist, geht der Mund über
Im wahrscheinlich eindeutigsten Bibelvers über persönliche Evangelisation schreibt Petrus uns, dass wir „vorbereitet“ sein sollen. Nicht etwa wie Pfadfinder:innen mit einem Schweizer Armeemesser, Wir sollen mit Worten vorbereitet sein, mit einer „apologia“ – das bedeutet mit beantwortenden Worten (1. Petrus 3:15).
Aber wie sieht diese Vorbereitung aus? Petrus stellt sich dabei nicht wirklich ein Klassenzimmer vor. Er empfiehlt uns nicht, dass wir eine Liste philosophischer Beweise für Gottes Existenz auswendig lernen. Die ultimative Vorbereitung für Evangelisation sieht so aus: „[S]ondern heiligt viel mehr Gott, den Herrn, in euren Herzen!“ (1. Petrus 3:15a; Schlachter 2000).
Wie Jesus selbst sagt: “Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund“ (Matthäus 12:34; Schlachter 2000). Wir sprechen über das, von dem wir „voll“ sind. Das ist eine unumgängliche Tatsache der menschlichen Psychologie. Wir evangelisieren, wir missionieren immer. Wir sprechen immer von dem, was uns selbst „heilig“ ist. Wenn etwas heilig, hervorgehoben, gesegnet, von höchster Priorität ist, dann wird es überfließen, von unseren Herzen in unsere Gespräche. Deshalb empfiehlt uns Petrus, unsere Herzen mit Christus, dem Herrn, zu füllen.
Befreiende Furcht
Das ist die Antwort auf die Furcht, die wir natürlicherweise fühlen, wenn wir ganz bestimmt für Christus leben und sprechen (1. Petrus 3:12-13). Die Furcht, die uns neben der Furcht vor Christus beherrscht, ist die „Menschenfurcht.“ Wenn wir einen Raum betreten, können wir in einem winzigen Augenblick die Atmosphäre feststellen. Bevor wir überhaupt bewusst darüber nachgedacht haben, haben wir schon die Worte kalkuliert, die am meisten Akzeptanz und am wenigsten Widerstand hervorrufen werden. Wir brauchen nicht die Welt, um uns zu zensieren; unsere eigenen Ängste können das besser als jedes totalitäre Regime.
Ich versuche immer die Worte wahrzunehmen, die bei meinem Gesprächspartner am besten ankommen. Petrus sagt mir, ich solle meine Wahrnehmung auf etwas anderes richten. Ich soll meine Worte nicht danach auswählen, was am besten ankommt (denn niemand kann kontrollieren, wie seine Worte aufgenommen werden). Stattdessen soll sich meine Wahrnehmung mehr auf den Ursprung meiner Worte richten als auf das Ziel. Kommen diese Worte von einem Herzen, dass Christus als heilig verehrt?
Dabei zitiert Petrus praktisch von Jesaja:
„[…] und vor dem, was [das Volk] fürchtet, fürchtet euch nicht und erschreckt nicht davor! Den HERRN der Heerscharen, den sollt ihr heiligen; ER sei eure Furcht und euer Schrecken!“ (Jesaja 8:12b-13; Schlachter 2000).
Die „Furcht vor dem HERRN“ ist dabei kein Kauern und Wegducken von Gott. Es geht vielmehr um die magnetische Anziehungskraft, die Besessenheit, das Staunen über seine alles umfassende Herrlichkeit. Jesaja spricht im weiteren Verlauf von dem Messias, der sich an der Furcht vor dem HERRN erfreuen wird. Eine erfreuliche Furcht. Das Überwältigt werden des Glanzes von Gottes Herrlichkeit.
Eine solche Furcht ist eine befreiende Furcht. Das bedeutet, dass wir beim Evangelisieren die Furcht mit Furcht bekämpfen. Und Ängste werden kommen. Sie kamen über Paulus und sie werden sicher über uns kommen (Epheser 6:19-20). Aber wenn wir eine Unterhaltung beginnen, sollen wir uns nicht von dem Wunsch, gemocht zu werden, überwältigen lassen. Sondern wir sollen von der alles übertreffenden Größe von Christus überwältigt sein.
Geborene Evangelisten
Wenn du das so liest, dann denkst du dir vielleicht: „Das klingt so spirituell, so hochmütig, so unerreichbar.“ Aber das ist es wirklich nicht. Es ist ganz einfach die Art, auf die Menschen funktionieren.
Denk nur an den Sportfan, der von Kopf bis Fuß in Fanartikel eingehüllt ist und sich auf dem Weg ins Stadion befindet. Er grinst von einem Ohr zum anderen und teilt jedem, der gewillt ist, ihm zuzuhören, die unergründlichen Reichtümer seines Teams mit. Wie tut er das? In seinem Herzen verehrt er sein Team als heilig.
Oder denk an den Kollegen im Büro, der an seiner unbeliebten Meinung festhält. Star Wars ist fürchterlich, sagt er. Die Schrift „Comic Sans” sollte eigentlich viel mehr benutzt werden. Nickelback ist eine wirklich hervorragende Band. In seinem Herzen ist er völlig davon überzeugt und so fließt seine Herzenshaltung in Worte über.
Diese alltäglichen Beispiele zeigen, wie es Menschen schaffen, ihre Furcht vor der Unbeliebtheit zu überwinden. Sie haben sich auf eine größere Leidenschaft fokussiert und diese Leidenschaft sprudelt über. Das ist die Antwort für Christ:innen, die sich vor Evangelisation fürchten.
Lass die Leidenschaft überfließen
Ich habe einen Freund, der zu jedem, den er zum ersten Mal trifft, sagt: „Ich bin ein riesiger Fan von Jesus. Riesig! Und du?“ Ich sage nicht, dass du es ihm nachmachen sollst. Es ist seine persönliche Art, so etwas auf diese Art zu sagen und es klingt fantastisch in seinem starken Liverpooler Akzent. Aber ich möchte dich ermutigen, eine ebenso persönliche Art oder Aussage zu finden, die deine Leidenschaft für Christus ausdrückt. Ich persönlich sage ganz häufig: „Das liebe ich so sehr an Jesus…“ Ich werde dir nicht sagen, wie ich diesen Satz beende, denn es geht hier nicht darum, Wörter oder Sätze auswendig zu lernen. Es geht darum, dass Leidenschaft überfließt.
Wenn die Worte einfach nicht kommen – wir alle haben damit zu kämpfen – dann ist die Antwort darauf nicht, neue Argumente oder Techniken zu erlernen. Auch ist es keine Lösung, uns doppelt so stark anzustrengen und dabei unseren inneren Nonkonformisten zu entdecken. Stattdessen wenden wir uns der Quelle zu: die Herrlichkeit Christus, ein Schatz, der größer ist als jedes Sportteam, jeder Promitratsch, jedes kleine Ärgernis, all die Steckenpferde, die als Konversationsfüller dienen.
Wenn wir mehr und mehr von seiner Herrlichkeit vereinnahmt werden, werden wir davon sprechen. Aber ganz ehrlich, aus tiefstem Herzen – und unsere Leidenschaft wird so viel mehr mitteilen können als unsere Wortgewandtheit. „In dem Bewusstsein, dass der Herr zu fürchten ist, suchen wir daher die Menschen zu überzeugen“ (2. Korinther 5:11a; Schlachter 2000).