14. April 2021 | von Lara Zamilski
Seite 113 – 134
Für den einen Schatz leben
Sie sind nicht hierhergezogen, um ein leichtes Leben zu haben.
Viele von uns, die im wohlhabenden Westen aufgewachsen sind, mussten sich noch keinen einzigen Tag in ihrem Leben um sauberes Wasser oder ausreichendes Essen Gedanken machen. Ich hatte schon immer ein warmes, sauberes zu Hause und einen gefüllten Kleiderschrank. Auch der Kühlschrank war nie leer – richtigen Hunger kenne ich nicht wirklich. Wenn ich krank war, dann waren Ärzte und Medikamente in unmittelbarer Reichweite. Seit ich sechs Jahre alt bin, konnte ich zur Schule und nun zur Universität gehen. Ich habe die besten Bildungschancen. Mit dem Geld, das ich nebenbei verdiene, kann ich mir nicht nur das Nötigste leisten, sondern auch noch alle möglichen Wünsche erfüllen. Meine Eltern, Familie und Freunde stehen hinter mir. Ich weiß, dass ich geliebt bin und umsorgt werde.
„Vor allem aber, kenne ich das Evangelium und habe, seit ich denken kann, eine Beziehung zu Gott […] Wie kann ich auch nur ansatzweise den Reichtum ermessen, den Gott mir von Anfang an geschenkt hat?“
In Lukas 12, 48 heißt es: „Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern.“
Was bedeutet dieser Vers? In Jesu Gleichnis geht es um einen treuen und klugen Verwalter, der von seinem Herrn über dessen Bedienstete gesetzt wird. Handelt er treu und klug, so wird der der Herr ihm die Verantwortung über seinen ganzen Besitz anvertrauen. Geht er jedoch töricht und unzuverlässig mit der Habe seines Herrn um, so wird er für sein Tun bestraft werden.
Pastor David begegnet in den Bergen des Himalayas einigen Geschwistern, die mit dem, was der Herr ihnen anvertraut hat, weise umgehen und ihren Nächsten mit ihren Gaben dienen. Da ist eine junge Frau, die Krankenpflege studiert hat. Sie hätte in der Stadt einen gut bezahlten Job und eine hübsche Wohnung haben können. Sie hätte ein komfortables Leben führen können. Stattdessen hat sie der Stadt und dem einfachen Leben den Rücken zugekehrt und ist in die Berge gezogen, um eine kleine Krankenstation aufzubauen. So können die Dorfbewohner schneller medizinische Hilfe erhalten, denn der Weg ins Tal ist lang und mühsam für jemanden, der ernsthaft krank ist.
Maya sagt bescheiden: „Ich möchte einfach mit dem, was Gott mir gegeben hat, das tun, was er von mir möchte.“
Dann begegnet Pastor David einigen ausgebildeten Lehrern, die ebenfalls in der Stadt studiert haben. Auch sie sind in die Berge gezogen, um eine Schule zu eröffnen. Die Kinder, die in den abgelegenen Dörfern aufwachsen, haben so gut wie keinen Zugang zu Bildung. Doch jetzt können sie zur Schule gehen, mittags etwas Warmes essen und mit ihren Freunden spielen. Die Lehrer, die dort arbeiten, wohnen in sehr bescheidenen Verhältnissen: ein Schlaftrakt für alle mit Stockbetten und draußen ein Plumpsklo.
Dazu bemerkt David: „Leicht ist das Leben hier nicht.“ Sein Begleiter Nabin antwortet darauf: „Sie sind auch nicht hierhergezogen, um ein leichtes Leben zu haben.“
Auch ein Ehepaar aus den USA, die Agrartechnik studiert haben, haben den Westen verlassen, um in diese Berge zu ziehen. Mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten entwickeln sie Systeme, die den Menschen den Alltag erleichtern. Mit ihren gottgegebenen Fähigkeiten helfen und dienen sie den Menschen, die es nötig haben.
Was haben all diese Menschen gemeinsam? Sie dienen den Menschen mit Gaben, die Gott ihnen gegeben hat. Dabei verlieren sie jedoch nicht aus den Augen, dass medizinische Hilfe, ein Zugang zu Bildung und sauberes Wasser nicht das Wichtigste ist, was sie brauchen. Was die Menschen am dringendsten brauchen, ist das Evangelium. Durch das Einsetzen ihrer Fähigkeiten öffnet sich ihnen eine ganz neue Tür, um Gottes Gute Nachricht zu denen zu bringen, die noch nie von Jesus gehört haben. Sie haben den Komfort und Reichtum der westlichen Welt verlassen, um mit dem zu dienen, was Gott ihnen gegeben hat. Sie sind wie der kluge Verwalter aus Jesu Gleichnis, der treu mit dem Besitz seines Herrn umgegangen ist.
Was würde passieren, wenn „wir mit dem, was Gott uns gegeben hat, seine Liebe verbreiten und der Welt das geben [würden], was sie so nötig braucht“? Gott beschenkt Menschen „mit ganz individuellen Fähigkeiten – Ausbildung und Erfahrung, Begabung und Leidenschaften – , die in unvorstellbarer Weise genutzt werden können.“ Was ist mit uns, die wir studieren oder eine Ausbildung machen wollen? Wählen wir unseren Studienort aufgrund der schönen Stadt und dem bequemen Leben, das sich uns dort bietet? Was wäre, wenn wir uns einen Studienort aussuchen würden, wo es Menschen gibt, die das Evangelium noch nie gehört haben? Es gibt „Colleges und Universitäten in Übersee, die amerikanische Studenten ein Vollstipendium für einen englischsprachigen Studiengang anbieten.“
So viele Möglichkeiten! Und nach einem Abschluss – wollen wir uns einen gemütlichen, gut bezahlten Arbeitsplatz zu Hause suchen, oder lieber Gott fragen, ob er für uns einen Ort vorbereitet hat, der nicht ganz so bequem und einfach ist, wo wir unseren Nächsten mit unseren Fähigkeiten und dem Evangelium dienen können?
Jesus sagt in Lukas 12, 32-34: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Verkauft eure Habe und gebt Almosen; macht euch Beutel, die nicht veralten, einen unvergänglichen Schatz in den Himmeln, wo kein Dieb sich naht und keine Motte zerstört! Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“
„Wenn man darüber nachdenkt, ist dieser Abschnitt eigentlich kein Aufruf zur Opferbereitschaft, sondern eher ein Aufruf, in das zu investieren, was uns wirkliche Zufriedenheit und Erfüllung bringt. Jesus ermutigt seine Nachfolger, schon heute so viel wie möglich vom unvergänglichen Schatz anzuhäufen […] Sie alle [die Gruppe, die David kennenlernen durfte] haben das getan. Sie haben auf weltliche Freuden unterschiedlichster Art verzichtet, um hier zu leben und zu arbeiten. Sie haben alle möglichen Besitztümer verkauft und verschenkt. Sie haben verschiedenste Annehmlichkeiten aufgegeben. Eines aber ist klar: Sie leben für einen Schatz. Den eigentlichen Schatz. Den Schatz, der auf ewig Bestand hat, aber nicht erst in der Ewigkeit seine Schönheit entfaltet.“
Mögen auch wir gemeinsam diesem eigentlichen Schatz nachjagen und danach streben, unsere gottgegebenen Fähigkeiten dazu zu gebrauchen, Gottes Reich zu gebrauchen. „O Gott, hilf mir, das zu tun, was du von mir möchtest, mit allem, was du mir gegeben hast.“
Lassen wir unserer Kreativität freien Lauf: Welche Möglichkeiten sehen wir im Moment in unserem Umfeld, um unsere gottgegebenen, einzigartigen Gaben einzusetzen, um Not zu wenden und die Hoffnung des Evangeliums zu verbreiten? Wie können wir dieselben Gaben möglicherweise auch fern von unserer Heimat einsetzen?
Bibliografie:
Bibelzitate folgen dem Bibeltext der Elberfelder Übersetzung.
Platt, David. Etwas muss sich ändern. Übersetzt von Multnoma, Brunnen Verlag GmbH, 2021, S. 113-133.