„Welch ein Mysterium,“ schrieb Horatius Bonar, „die Seele und Ewigkeit eines einzigen Mannes hängt an der Stimme eines anderen.“ Welch ein Mysterium, dachte ich dann, dass ich nicht mehr rede.
Ich schaute aus meinem Fenster. Drei Häuser standen auf der anderen Straßenseite. Von zwei musste ich mich fragen, Wer wohnt dort? Was machten sie, während ich las und betete?
Auch wenn ich sie noch nicht kennengelernt hatte, wusste ich viel über sie. Sie – wer auch immer sie waren – wurden wie ich in Sünde geboren. Wie ich, hatten sie Seelen. Wie ich, rasten sie unwiderruflich auf die Ewigkeit zu. Wie ich, waren auch sie versucht, ihre Seelen zugrunde zu richten, von unsichtbaren geistlichen Mächten blind gemacht und unter Strom gesetzt, genau das zu tun. Und wie ich, lebten sie ein betrügerisch gewöhnliches Leben auf einem Faden zwischen Himmel und Hölle, jetzt und für immer.
Als ich mir die Häuser anschaute, die ewigen Geschöpfen ein zu Hause gaben, bemerkte ich, dass meine Stimme noch nicht über die Straße gewandert war. Auch wenn ich die Neuigkeiten kannte, die sie unbedingt hören mussten, und einen „ihn“, für den sie geschaffen worden waren (Kolosser 1, 16), so hatte meine Stimme sich nicht bemüht sich auf den Weg zu machen und zu ihnen zu sprechen, sich mit ihnen anzufreunden, und mit ihnen die wichtigste Nachricht zu teilen, die je menschliche Ohren beehrt hat: das Evangelium Jesu Christi.
Welch ein Mysterium, dass die Ewigkeit und Seele eines einzigen Mannes an der Stimme eines anderen hängt – und dass die Stimme, von der Seelen abhängig sind, so schrecklich leise und gleichgültig ist.
Zu den Landstraßen und Zäunen
Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Seelen abhängig davon sind, dass wir sprechen. Wie sollen sie glauben, wenn sie niemals hören (Römer 10, 14)?
Jeder von uns hat eine Rolle zu spielen; jeder hat die Arbeit des geistlichen Amtes zu erledigen. Wir stehen weit unter der erwählenden Liebe Gottes, und du und ich müssen unseren Mut zusammennehmen, an Türen zu klopfen, Nachbarn zum Abendessen einzuladen und mit ihnen über Gott, Sünde und Jesus Christus zu sprechen – sein Kreuz und seine Auferstehung. Wir alle haben Leute, denen wir die schlechten Nachrichten überbringen müssen, dass sie verurteilt vor einem heiligen Gott stehen, und die guten Nachrichten von einer wunderbaren Gnade, dass Gott, durch das Evangelium seines Sohnes, Sünder mit sich selbst versöhnt.
Welcher Mann – und ich schaue ihn im Spiegel öfters an als ich sollte – kann so ruhig lächeln, und winken, lachen und mit seinem sterbenden Nachbarn quatschen, und doch so selten den Mund aufmachen, um Zeuge für die Autorität, Liebe und Gnade Jesu Christi zu sein?
Teufel zwinkern, während Sünder sterben. Dämonen tanzen, während die Verlorenen ungestört untertauchen. Die Heiligen, wie wir sie in Gottes Wort und der Kirchengeschichte finden, schließen sich ihnen nicht an, und maskieren ihre Gleichgültigkeit nicht mit einer unterrichtenden Rede über Gottes Souveränität, um Untätigkeit zu entschuldigen. Sie weinen, sie fasten, sie beten. Sie laufen die Straße entlang, sie teilen ihr eigenes Leben und diese wunderbaren Neuigkeiten, die einzigen Neuigkeiten von einer Versöhnung mit Gott. Sie sprechen den Namen aus – den einzigen Namen, der gegeben ist unter dem Himmel – in dem wir gerettet werden müssen. Als Botschafter Christi flehten sie die Verlorenen an, „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2. Korinther 5, 20). Mit Freude gehen sie zu den Landstraßen und Zäunen dieser gefallenen Welt, und drängen sie, zu dem großen Gastmahl des Meisters zu kommen (Lukas 14, 23).
Wenn du aus deinem Fenster schaust, wenn du durch deine Textnachrichten scrollst, wenn du dich zum Abendessen setzt, oder es genießt, mit Freunden zu lachen, wissen sie es? Haben sie es gehört? Worüber sonst können wir reden, wenn nicht darüber? Aber oh je, über wie viel anderes reden wir, statt darüber!
Jenseits von Persönlichkeitstypen
Einige reden nicht, weil sie der verbalen Aufgabe nicht so gewinnbringend gewachsen sind wie ihre extrovertierten Brüder und Schwestern.
Was für die einen flüssig, natürlich und mühelos ist, verlangt von anderen große Anstrengung und Mut. Aus welchem Grund auch immer, mit Fremden zu sprechen ist sehr unangenehm – dein Hals protestiert und verkrampft sich, du bist außer Atem, du wirst sehr befangen. […] So kommt dieser Teil unserer christlichen Berufung, anderen die gute Nachricht zu vermitteln, mit dichten Wolken und fühlbarer Dunkelheit zu dir.
Auch wenn du nicht der Mund des Leibes bist, deine Stimme – und vielleicht besonders deine Stimme, wird gebraucht, mein Bruder oder meine Schwester. Deine Worte, seltener und damit weniger aufgeblasen, können das tun, was diejenigen, deren Worte umfangreich sind, nicht so leicht tun können: gewichtig sein. Wir brauchen dein Zeugnis der unerschütterlichen Liebe Gottes. Denke weniger daran, was deine schwitzenden Hände und dein rasender Puls über dich zu sagen hat, oder wie Myers-Briggs [Begründer des Persönlichkeitstestes Myers-Briggs-Typenindikator] dich beschreibt. Lass Gott bestimmen, wer du bist und wie du dich selbst siehst.
Wer du bist
Wer bist du?
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht — euch, die ihr einst nicht ein Volk wart, jetzt aber Gottes Volk seid, und einst nicht begnadigt wart, jetzt aber begnadigt seid (1. Petrus 2, 9-10).
Einmal warst du weniger als nichts. Ein Kind Satans, eine geistige Hure, ein Rebell, der sich dem lebendigen Gott widersetzt. Du hast dich im Blut deines gefallenen Vaters Adam gewälzt, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. Doch er, reich an Erbarmen, aufgrund der großen Liebe, mit der er dich geliebt hat – eine unaufgeforderte, unerwiderte, unverdiente Liebe – hat dich mit Christus lebendig gemacht. Und dieser exzellente Christus, der seine Gleichheit mit Gott nicht für etwas hielt, das er ergreifen musste, wurde arm, damit du reich werden konntest – starb, damit du leben kannst (2. Korinther 8,9).
Und er hat uns zu einem Volk gemacht – zu seinem Volk. Er gibt uns eine Stimme, eine Aufgabe: seine Exzellenz zu verkünden. Wir, scheinbar unscheinbar und unbedrohlich normal – Heilige mit gewöhnlichen Jobs in gewöhnlichen Gegenden – tragen die spektakuläre Botschaft nebenan und zur anderen Straßenseite: Christus ist für die Vergebung der Sünden für alle gestorben, die Buße tun und an das Evangelium glauben.
Dieses Gold liegt in Gefäßen aus Ton. Wir müssen es rauslassen. Wir müssen reden und weiter reden. Es kommt nicht darauf an, was unsere Stärken sind oder welche Persönlichkeiten wir besitzen – es ist wichtig, zu wem Christus uns gemacht hat. Und er hat uns zu einem außerwählten Geschlecht gemacht, zu seinem königlichen Priestertum, zu seiner heiligen Nation von Menschen, die in seiner Exzellenz zufrieden sind – und nicht aufhören können, über sie zu sprechen.
Eine süßere Arbeit?
Habe ich, hast du, haben wir das Wunder und Privileg vergessen, die Kraft Gottes zur Errettung zu verlorenen Seelen zu tragen? Ist es für uns zu einer Last geworden? Spurgeon [Prediger des 19. Jahrhunderts] fragt jeden einzelnen von uns,
(Wir, die wir) zu einem so süßen Dienst wie der Verkündigung des Evangeliums gesandt wurden, wie können wir zögern? Dem armen Verbrecher, der im Verlies der Verzweiflung eingeschlossen ist, zu sagen, dass es Freiheit gibt, dem Verurteilten zu sagen, dass es Vergebung gibt, den Sterbenden zu sagen, dass es Leben in einem Blick auf den Gekreuzigten gibt – fällt es dir schwer? Nennst du es mühselige Arbeit? Sollte es nicht das süßeste Merkmal deines Lebens sein, dass dir solch eine gesegnete Arbeit gegeben wurde?
Von ihm zu sprechen und ein Leben in Liebe zu führen, das seinen heiligen Namen nicht lästert – sehen wir nicht, dass dies eine sehr kleine Antwort auf eine so große Errettung ist? Jesus wurde auf dem Müllhaufen außerhalb des Lagers geschlachtet, damit wir zu ihm hinausgehen und „Gott beständig ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Hebräer 13, 15).
„Welch ein Mysterium,“ schrieb Horatius Bonar, „die Seele und Ewigkeit eines einzigen Mannes hängt an der Stimme eines anderen.“ Das ist tatsächlich ein Mysterium. Lasst uns unsere Nachbarn dieses Jahr nicht berauben, sondern beschließen, unsere Stimmen als Licht in die Dunkelheit zu senden und die Exzellenz Jesu Christi zu verkünden.